Ich backe mir einen Mann!

„…dann back Dir doch einen!“ Na klar, wieso bin ich nicht schon viel früher darauf gekommen? Schluss mit der Nerverei und den Ersatz-Süßigkeiten – jetzt backe ich mir einen Mann nach meinem Geschmack!

Fragt sich nur – wie kriege ich ihn so hin, wie ich ihn haben will? „Nimm bloß keinen Hefeteig – der geht zu sehr auf und das sieht hinterher nicht schön aus“, meint meine Freundin Andi. Das leuchtet mir auf Anhieb ein. Außerdem lässt sich mit ihm kein Waschbrett- oder lieber doch Waschbärbauch formen (der Waschbär ist im allgemeinen gemütlicher und verlässlicher, worauf ich großen Wert lege). „Nimm doch Pfefferkuchenteig, der ist lange haltbar“, sagt Ina. „Er ist zwar anfangs etwas hart, aber je länger du ihn lagerst, desto weicher wird er.“ Ich weiß nicht recht – lange lagern ist nicht so mein Fall. Für mich muss es eine Art Mürbeteig sein. Den kann man besser kneten und modellieren. Außerdem schmeckt er super!

Die Idee, mir extra eine Back-Form zu kaufen, verwerfe ich schnell wieder – ich lege keinen Wert auf Formen, außerdem gestalte ich lieber selbst. Daher mache ich mir auch keine Schablone, das engt nur ein. Überhaupt scheinen mir die Äußerlichkeiten das geringste Problem zu sein – muskulös, aber nicht zu sehr, dunkle Haare, braune Augen, volle Lippen – wie viele Frauen bevorzuge ich den südländischen Typ, der verführerische Erotik ausstrahlt. Den werde ich schon hinkriegen.

Die eigentliche Herausforderung sind die Zutaten fürs Innenleben! Eine Backmischung wäre gut – und doch wieder nicht. Denn individuell soll er ja sein, passend für mich, kein Mann von der Stange (obgleich seine Stange… aber nein, die kommt später!). Die Zutatenliste, das wird mir schnell klar, erfordert genaue Planung, Ruhe und Zeit zum Nachdenken. Nur nichts überstürzen! Schließlich will ich nicht mitten beim Kneten feststellen müssen, dass ich in der Hektik Humor und Lebensfreude vergessen habe, das wichtigste von allem! Daraus fertige ich schon mal eine Basis-Mischung.

Nach drei Tagen des In-mich-gehens ist mein Rezept komplett:

 

Basis-Mischung:

5 Tassen Humor, gemischt mit Lebensfreude

 

1 Tasse Zuverlässigkeit

1 ½ Tassen Treue gut vermischt mit 1 ½ Tassen Charme

3 Tassen leicht ausgedrücktes Gefühl

2 Tassen Engelsgeduld mit mir und meinen Marotten (vielleicht sollte ich ihm auch ein paar Flügel modellieren?)

1 ½  Tassen Offenheit für Neues

2 Tassen Großzügigkeit und Verständnis

3 Tassen Intelligenz und Achtsamkeit

3 EL Unternehmungslust

5 EL Durchhaltevermögen in Krisen

1 Päckchen gute Umgangsformen

1 gr. Paket Stärke

1 Messerspitze Frechheit

1 Prise Verrücktheit

 

Spätestens hier wird klar: Der Mix macht’s! Zu verrückt wäre mit Sicherheit katastrophal, alles schon da gewesen. Apropos Mix, fast hätte ich’s übersehen: Wie soll das Macho-Softie-Mischungsverhältnis aussehen? Wohl doch lieber etwas mehr Macho! Also noch 

 

3 Tassen Männlichkeit

2 Tassen Einfühlungsvermögen

 

hinzufügen. So müsste die Mischung funktionieren.

Nichts vergessen? Doch:

 

500 g Erotik pur!

 

Ich rühre alle meine kostbaren Zutaten zusammen, hebe am Schluss die schaumig geschlagene Erotik drunter und knete zehn Minuten lang voller Inbrunst. Der Teig hat eine gute Konsistenz, das fühle ich sofort, ist locker, nicht zu weich und nicht zu hart. Vor allem lässt er sich gut formen, ohne an den Fingern zu haften. Hingebungsvoll modelliere ich einen muskulären Body (ohne Engelsflügel) aber mit Bärenbauch, einem süßen Knackarsch und einer veritablen… Stange. Dann hieve ich meinen Traum-Mann vorsichtig aufs Backblech. Geht doch!

Süß sieht er aus mit seinen Haselnussaugen und dem lachenden roten Mund, den ich ihm gemalt habe. Vorsichtig schiebe ich ihn in den auf 200 Grad vorgeheizten Backofen. Puh, geschafft! Voller Vorfreude schenke ich mir ein Glas Prosecco ein. Jetzt heißt es Geduld haben. Nach 20 Minuten schaue ich neugierig in den Ofen – goldgelb sieht mein Süßer aus, der wird richtig gut. Ein bisschen kann er noch… dummerweise bin ich dann ans Telefon gegangen. Als ich nämlich zehn Minuten später mein Prachtexemplar aus dem Ofen hole, ist er zwar sehr gut gelungen, aber doch etwas zu braun geraten. Egal, dafür ist er richtig schön knackig!

Das Ergebnis übertrifft meine Erwartungen und ich kann nur sagen: Der Aufwand hat sich gelohnt. Er ist einfach wunderbar! Perfekt! Geil! Super! (Während ich das hier schreibe, massiert er mir gerade den Rücken) Ich werde jetzt auch meinen Freundinnen einen backen. Als Weihnachtsgeschenk! Und Sie haben hier ja jetzt das erprobte Erfolgs-Rezept. Variieren Sie es ruhig ein wenig, experimentieren Sie! Das wird schon!

 

Catharina Aanderud, erschienen in EMOTION, Januar 2011