Von der Hausfrau zur Familienmanagerin

„Diese neue Balance zwischen den Geschlechtern, so das Fazit von Catharina Aanderuds anregender Streitschrift, lässt sich am wirkungsvollsten durch ein Instrument herstellen: Das Hausfrauen-Gehalt für professionell arbeitende Familien-Managerinnen.“

Deutschlandradio

Humanvermögen als die grundlegenden Fähigkeiten des Menschen bedeutet: lernen, miteinander umgehen können, Ausdauer haben oder Lösungen suchen, man könnte auch von Daseinskompetenzen sprechen. Diese Kompetenzen werden in den Familien gebildet, deren Hauptachse die Mutter ist. Die Verkennung ihrer Leistung ist mit Diskriminierung gleich zu setzen. Zwei Bücher widmen sich diesem gesellschaftspolitischen Phänomen. Kostas Petropulos hat sie gelesen.

Der Absturz war tief und schmerzhaft: Gerade noch erfolgreiche Journalistin, von den Kollegen geschätzt - und jetzt plötzlich Vollzeit-Mutter eines Kindes, die das alltägliche Chaos von Pipi, Pampers und Penaten bewältigen muss und dafür in ihrem Umfeld bestenfalls auf freundliches Desinteresse stößt.

Die gelernte Psychologin und Hamburger Journalistin Catharina Aanderud beschreibt in ihrem neuen Buch "Schatz, wie war dein Tag auf dem Sofa?" höchst anschaulich diese Erfahrung vieler junger Frauen, wenn sie in die Mutterrolle hineinschlittern.

Mit dem Kind verändert sich nicht nur die Partnerschaft, sondern die alltägliche Hausarbeit, und die Kindererziehung nimmt die Mutter fast völlig in Beschlag. Und das Schlimmste von allem: Den meisten Müttern geht dabei jedes Selbstbewusstsein verloren! Ganz verschämt outen sie sich dann als "NUR-Hausfrauen". Dabei sprechen die objektiven Zahlen gegen diese Selbstabwertung:

"Hier, an der Basis zu Hause, finden 55 Prozent aller Dienstleistungen unserer Gesellschaft statt, ohne dass sie als Wertschöpfung in das Bruttoinlandsprodukt eingehen [...]. In den heimischen vier Wänden fallen jährlich rund 96 Milliarden Arbeitsstunden an, dagegen nur 60 Milliarden in Jobs außer Haus."

Ausführlich beschreibt die Hamburger Journalistin in ihrem Buch die vielfältigen Tätigkeiten und Herausforderungen, denen sich eine Hausfrau stellen muss. Den Vergleich mit traditioneller Erwerbsarbeit müsse sie keinesfalls scheuen. Gefordert sei nämlich:

"Organisationstalent [...], Flexibilität, große Belastbarkeit und wirtschaftliches Denken - im Grunde genommen alles Managerfähigkeiten, die durch das Familienleben entstehen."

Trotzdem litt Catharina Aanderud wie die meisten Hausfrauen an Minderwertigkeitskomplexen. Ein Phänomen, das bei den europäischen Nachbarn ganz unbekannt zu sein scheint. Das zeigt gerade ihr informativer Vergleich mit den familienpolitisch gern zitierten Vorbildern Frankreich und Schweden. Dort seien Hausfrauen zum gesellschaftlichen Randphänomen geworden und die Mutter zwischen Beruf und Familie nunmehr der gesellschaftliche Standard. Die Erfahrungsberichte von Müttern aus diesen Ländern, lassen allerdings Zweifel aufkommen, ob diese "Errungenschaft" tatsächlich ein Gewinn für die Frauen und ihre Kinder ist. Für Katharina Aanderud kamen die schwedisch-französischen Lösungen jedenfalls nicht in Frage:

"Ich hätte nie gedacht, dass ich eine so intensive emotionale Bindung zu meinem Kind verspüren würde, dass ein Achtstundentag außer Haus (wie er mir zwischenzeitlich in leitender Position für eine Frauenzeitung angeboten wurde) für mich inzwischen undenkbar war - zumindest solange mein Sohn noch ein Kleinkind war."

Bei aller Freude am Kind bleibt aber dennoch der Gegensatz zwischen dem objektiven Wert und der gefühlten Wertlosigkeit der Familienarbeit. Das veranlasste die Journalistin, den Ursachen für diesen Widerspruch auf den Grund zu gehen.

Ihre einschlägige Liste ist lang und nicht ganz unbekannt - angefangen bei den Männern, die sich weigern, ihren Beitrag an der Hausarbeit und Kindererziehung zu leisten; fortgesetzt bei den Supermüttern, die öffentlich den Eindruck vermitteln, berufliche Karriere, Kinder und Haushalt seien nur eine Frage guter Organisation, bis hin zur völligen wirtschaftlichen Abhängigkeit von einem Mann.

Und genau hier erkennt Catharina Aanderud den Ansatzpunkt, um den Hausfrauen zu echter Anerkennung zu verhelfen und damit letztlich unsere Gesellschaft grundlegend zu verändern:

"Bekanntlich ist ja immer nur das etwas wert, was etwas kostet! Wenn aber Geld unser einziger Wertmaßstab ist, werden damit gleichzeitig alle nicht bezahlten Tätigkeiten entwertet."

Da der Wert von Haus- und Erziehungsarbeit mittlerweile selbst von Volkswirten vorgerechnet wird, gäbe es nur eine Schlussfolgerung: Diese Tätigkeit muss eben auch wie Erwerbsarbeit bezahlt werden!

Ausgearbeitete Konzepte dazu gäbe es bereits. So würden etwa der US-Wirtschaftsnobelpreisträger Gary Becker oder der renommierte Heidelberger Steuerexperte Paul Kirchhof die Forderung nach einem "Erziehungsgehalt" unterstützen.

Das größte Hindernis für die Durchsetzung dieser Forderung sieht Aanderud weniger beim Geld. Wenn eine Gesellschaft nur will, ändert sie eben ihre Prioritäten. Gefordert sei vor allem ein neues Selbstbewusstsein der Frauen. Aufgrund ihrer Erziehung hätten sie - anders als die Männer - nicht gelernt, für ihre Leistungen auf eine angemessene Honorierung zu bestehen - und zwar weder im Beruf noch als Hausfrauen:

"Sie sollten anfangen, Geld wichtiger zu nehmen und als Baustein ihrer Unabhängigkeit anzuerkennen [...]. Dagegen bräuchten die Männer für ihre innere Balance mehr Abstand davon, um nicht emotional zu verarmen und um den Wert von Beziehungen stärker schätzen zu lernen."

 

08.01.2007