Frauen bitte mal zeitgemäß fördern!

Hamburger Abendblatt - Debatte

Wer nicht nach Macht, Geld und Status strebt, ist ja nicht weniger wert. So klingt das aber häufig bei öffentlichen Diskussionen

CATHARINA AANDERUD


Auf Frauen-Netzwerkveranstaltungen kann man häufig ein wiederkehrendes Muster beobachten, das sich aus der Hidden Agenda (dem Hintergedanken) solcher Veranstaltungen ergibt. Oben auf dem Podium sitzen vier oder fünf erfolgreiche Frauen aus unterschiedlichen Branchen und bekommen Gelegenheit ausführlich zu zu schildern, wie sie es geschafft haben, in ihre Top-Positionen zu kommen. Welche Hürden sie überwinden mussten, welche Unterstützung sie aus ihrer Umfeld hatten, wer ihre Stärken zuerst erkannte, wie sie es mit den „Alpha-Tieren“ um sie herum aufnehmen, welche Abstriche an Privatleben sie hinnehmen müssen. Unten sitzt ein andächtig schweigendes weibliches Publikum, das aufmerksam zuhört, jedoch meist wenig oder gar keine Gelegenheit zu Fragen erhält.


Die Frage, die viele möglicherweise brennend interessiert, wie nämlich diese erfolgreichen Frauen, sofern gleichzeitig Mütter, die Kinderbetreuung organisieren, gilt mittlerweile eher als Tabu, da man ja einen Mann so etwas auch nicht fragen würde. Was allerdings das Thema nicht weniger interessant macht. Statt dessen kommt irgendwann unweigerlich die Frage der Moderatorin an ihre Podiumsgäste: „Warum glauben Sie, sind denn nicht mehr Frauen so erfolgreich wie Sie?“


Welch eine seltsame Frage, zudem an die falschen Adressaten gerichtet, denn diese haben es ja „geschafft“, sich durchzusetzen, das haben sie ja bereits erzählt. Nun geht es in die zweite Runde, die mit „Frauen-Bashing“ vielleicht etwas zu hart umschrieben ist, aber ein bisschen hat es etwas davon. Vom Podium herab werden nun die allseits bekannten Vermutungen über andere Frauen und deren Beweggründe, nicht an die Macht zu streben angestellt: Weil diese zu wenig Selbstvertrauen haben, nicht bereit sind, die Komfortzone zu verlassen, Konflikte scheuen und zu sehr um Harmonie bemüht sind – kurz: zu mutlos, zu bequem, zu konfliktscheu und zu emotional abhängig!


Das Diskriminierende an dieser Frage liegt darin, dass sie die Lebensentwürfe und Werte anderer Frauen als defizitär betrachtet, sofern diese nicht den gleichen Anspruch auf Macht, Geld, Status und berufliche Anerkennung erheben wie die auf dem Podium versammelten Alpha-Damen. So als gäbe es nur einen richtigen Weg, nämlich den nach oben, zu dem möglichst viele Frauen bekehrt werden müssten. So als sei das, was Frauen in anderen Positionen leisten, weniger wert. Dabei wäre es eigentlich zeitgemäßer und gemeinschaftsfördernder, die Arbeit anderer anzuerkennen, an welcher Stelle auch immer sie geleistet wird. Letztendlich kommen auch Frauen in Spitzenpositionen – ebenso wie Männer – nicht darum herum, sich bei der Ausführung ihrer Arbeit auf all die Frauen (und Männer) zu stützen, die in untergeordneten Positionen für sie tätig sind.


Es gibt nun einmal Hierarchien und Hackordnungen. Nicht jede Frau strebt eine Führungsrolle an, wohl wissend, dass die Luft oben mitunter recht dünn und kühl ist und sie dort häufig mit harten Bandagen kämpfen müssen. Nicht jeder Frau ist die dafür erforderliche seelische Hornhaut gegeben, viele hegen auch nicht den Wunsch, sie sich zuzulegen. Mag die moderne Gleichstellungspolitik auch davon ausgehen, dass Frauen (ebenso wie Männer!) beliebig formbar sind – es bleibt doch eher ein frommer Wunsch, der sich weder erzwingen noch verordnen lässt, schon gar nicht von heute auf morgen, das hat auch etwas mit Freiheit zu tun.


Über andere zu reden anstatt mit ihnen, hat immer etwas Entmündigendes. Warum zerbrechen sich Frauen, die es „geschafft“ haben, den Kopf über andere Frauen und deren Werte? Was ändert das? Zielführender wäre es, wenn Frauen in Führungspositionen ihre Verantwortung als Mentorinnen wahrnehmen und fähige Frauen in ihrem Umfeld entdecken, fördern und nachziehen würden. Handeln – nicht Theoretisieren, das wäre eigentlich das Gebot der Stunde.
So aber entsteht der Eindruck, die Akteurinnen ließen sich lediglich vor den Karren einer Politik spannen, die Frauenförderung sagt, in Wirklichkeit jedoch aus Gründen von Demoskopie und Ökonomie mehr erwerbstätige Frauen als Beitragszahler braucht und meint!


Hamburger Abendblatt, 30. März 2012