Opting out ist in!

MIR FÄLLT AUF…

Die Mütter der Frauenbewegung würden sich die Haare raufen über einen Trend, der in den USA unter der hippen Bezeichnung "Opting out" läuft, was so viel wie "nicht mitmachen" heißt und auch bei uns mittlerweile "in" ist.

CATHARINA AANDERUD

 

"Opting out ist in!" - Die Rede ist von hochqualifizierten Frauen, die ihrem Top-Arbeitsplatz den Rücken kehren, weil sie für Kinder und Familie "optieren". Die Argumente dafür sind leicht zu finden: Zu viel Stress, die Dreifachbelastung durch Job, Kind und Haushalt (Männer machen da immer noch zu wenig oder gar nix) sowie der Wunsch nach einem balancierten Leben, das Frauen schon immer wichtiger war als den Männern. Auch die immer noch unzureichende Qualität der Betreuung durch Kita und Krippe spielt eine Rolle.
 

Kinder werden wegorganisiert

"Im Job bin ich letzten Endes ersetzbar, für mein Kind jedoch nicht", sagt beispielsweise Julia, eine promovierte Juristin. "Den Arbeitsplatz gibt es immer, die Kindheit meines Sohnes jedoch nur einmal, und daran möchte ich möglichst intensiv teilnehmen", sagt Sandra, Ex-Managerin in einem Medienkonzern. Für Belinda, Personalleiterin in einem Großkonzern, kam das Signal zum Ausstieg, als ihr sechsjähriger Sohn sagte: "Mami, du organisierst mich immer nur noch weg!" Ihr Fazit: "Was nützt mir beruflicher Erfolg, wenn ich in einem Bereich, der mir mindestens ebenso am Herzen liegt, versage?"
 

Austieg aus einer kalten Arbeitswelt und die Neudefinition von "Arbeit"

Im Kern ist es bei vielen auch der Notausgang aus einer Arbeitswelt, die ihnen immer unwirtlicher und gnadenloser erscheint. Überstunden, 70-Stunden-Wochen, zu wenig Flexibilität auf Seiten der Arbeitgeber, die Teilzeit in Top-Positionen für nicht machbar halten. Immer noch zu viele Denkbarrieren bei den Herren der Schöpfung!
 
Als Hausfrauen definieren sich diese modernen Mütter allerdings nicht. Für die meisten von ihnen ist Opting out nur ein Ausstieg auf Zeit und eine Chance, sich breiter aufzustellen. Das Spannende ist, dass diese Frauen Erfolg für sich neu definieren, und damit auch den Begriff "Arbeit" - nämlich jenseits der männlichen Kategorien von Geld und Macht, für die sie emotional einen zu hohen Preis zahlen müssen. Einen Preis, den sie nicht mehr bereit sind zu zahlen.
 
emotion, September 2013