Ganz entspannt den inneren Stimmen lauschen

12.11.2014

Jeder kennt die sinnbildlichen Engelchen und Teufelchen auf der Schulter, die einem abwechselnd zuflüstern, was man tun soll. Wie man ihnen ganz lässig zuhört, ohne sich verrückt zu machen, erklärt Catharina Aanderud in ihrer Kolumne

 

Kennen Sie das auch? Diese innere Stimme im Kopf, die einem ständig zuflüstert: "Tu dies, lass das", "vorsicht, das könnte schief gehen"? Manchmal ist sie kaum vernehmbar, das ist sehr angenehm, aber in weniger brillanten Zeiten kann sie laut und dröhnend, ja richtig gemein werden mit Äußerungen wie: "das schaffst du nie", "wer glaubst du denn, wer du bist?", "Schuster, bleib bei deinen Leisten", "was hast du denn bisher in deinem Leben überhaupt geschafft???"

 

Den bösen Hund zähmen

Der amerikanische Meditationslehrer Allan Walace findet es erstaunlich, dass wir uns nicht intensiver um die Zähmung unseres mentalen Dialogs, wie er es nennt, bemühen. "Jedem Hund bringt man bei, zu gehorchen", sagt er, aber in unseren Köpfen lassen wir die Dinge ins Kraut schießen, lassen wir unsere Gedanken wie wildgewordene Rösser mit uns davon preschen, anstatt ihnen Zügel und Zaumzeug anzulegen. Dann machen sich Gedanken in uns breit, die wir nie gewollt haben und wir verlieren jedes Bewusstsein darüber, welchen Schwachsinn wir vor uns hindenken. "Im Extremfall werden Menschen von ihrer inneren Stimme in den Selbstmord getrieben!", warnt er. Nicht weil diese sagt: Töte dich, sondern weil sie so destruktiv geworden ist, dass man ihr nichts, aber auch gar nichts mehr recht machen kann. Man ist dann nur der Vollidiot, der dem Chaos im Kopf hilflos ausgeliefert ist, einem inneren Dialog, der einem alles kaputtdenkt. Das hat alles nix mit Schizophrenie oder Borderline zu tun (das war jedenfalls meine Befürchtung, als ich zum ersten Mal mit dieser Betrachtungsweise bekannt gemacht wurde), nein, das sind ganz normale Prozesse, die in jedem von uns ablaufen.

 

Das Team zu Wort kommen lassen

Vor Jahren schon sagte mir ein Coach, dass ich die einzelnen Stimmen als Teil eines inneren Teams betrachten und einfach zuhören solle, was jede einzelne von ihnen zu sagen hat. "Lassen Sie doch mal die Abenteurerin in sich zu Worte kommen!" Na, die will immer möglichst weit weg! Aber dann meldet sich die Schreibtischhockerin und sagt: "Du musst arbeiten, sonst wird das nichts mit dir." Aber wenn ich arbeite, und draußen die Sonne scheint, sagte die Lustorientierte: "Ich will mein Leben nicht vor dem Rechner vergeuden. Ich hab nur eins!" Und die Sportive ergänzt: "Genau! Ich will mich bewegen, mein Körper hat auch seine Rechte und wenn du die nicht berücksichtigst, wird auch das Geschreibsel nix!" Okay, und bin ich dann im Fitness-Center gelandet, sagt die Soziale garantiert, während ich sinnlose Gewichte stemme: "Du solltest mal wieder mehr unter Leute gehen!" Und die Mütterliche stimmt sofort zu: "Genau! Mach doch mal ein kleines Essen für deine Freunde!" Stehe ich dann am Herd und rühre eine ganz passable Kürbissuppe, beschwert sich wieder die Geistige: "Warum bringst du nicht schnell die Gedanken, die dir gerade durch den Kopf gehen, zu Papier?" Oh Mann, ist das anstrengend! "Und das Dumme ist", sagt meine kluge, ja gelegentlich sogar weise Freundin Claudia, "dass du dann gar nichts von alledem machst. Und du versaust dir selbst die Lebensqualität! Niemand hat das Recht, über dich zu bestimmen!"

 

Zuhören, Chef bleiben

Ähnliches hatte mir schon vor Jahren eine Wahrsagerin gesagt. "Ihre vorrangige Aufgabe ist es, den inneren Ober-Meckerer zum Schweigen zu bringen", meinte sie. (Ich nenne den Anführer meiner ungehobelten inneren Bande manchmal auch den 'Scharfrichter', weil er so erbarmungslose Urteile im Schnellverfahren fällt!) "Sagen Sie einfach: Mein Herr, Ihre Redezeit ist abgelaufen!" Gute Idee. Zumal er meistens völlig sinnlose Dinge von mir verlangt: Dass ich mich gedanklich mit etwas beschäftige, wofür ich momentan sowieso rein gar nichts tun kann. Wieso soll ich bei einem entspannten Abendessen an die Einkommensteuererklärung denken, die ich in diesem Moment doch sowieso nicht angehen kann? Und so lausche ich nun wie gesagt einigermaßen amüsiert und vor allem ACHTSAM diesen vielen um Aufmerksamkeit buhlenden Stimmen, lächele in mich hinein und tue genau das, wozu ich nach ruhigem Durchatmen den größten inneren Drang verspüre. One thing at a time! Mehr geht nicht. Ich bin keine Multitaskerin. Und seltsam: Die innere Rasselband wird doch tatsächlich immer stiller… Das nennt man wohl eine gelungene Arbeit mit dem inneren Team – denn der Chef bin immer noch ich! Zumindest so lange, wie ich keine Erleuchtung erlangt und immer noch ein Ich habe!