DIE RHEINPFALZ – Leben Heute

Frauen zwischen Kind und Karriere

„Warum wird uns das Muttersein so schwer gemacht?"

Es gibt wohl kaum eine Lebensphase, in die Frauen so ahnungslos hereinstolpern wie in ihre Mutterschaft. Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ein (Wunsch)Kind zu bekommen ist das größte Wunder und Geschenk des Himmels und die Freude darüber durch nichts zu übertreffen. Doch nach der ersten Euphorie entdeckt die vorher berufstätige, nun faktisch auf Heim und Herd begrenzte Frau, dass sie sich zusammen mit ihrer Mutterschaft ein ganzes Bündel von Rollenzwängen und veränderten Rahmenbedingungen eingehandelt hat, die sie so nicht vorausgesehen hatte. Sie verliert nicht nur ihre finanzielle Unabhängigkeit und wird quasi über Nacht ökonomisch abhängig von ihrem Mann, auch ihr gesellschaftlicher Stellenwert verändert sich gravierend: Da Erziehungs- und Familienarbeit im Gegensatz zu anderen Dienstleistungen nicht bezahlt wird und hierzulande nur der ökonomisch Erfolgreiche Anerkennung findet, erfährt eine Hausfrau und Mutter in kurzsichtiger Verkennung der Leistung, die sie erbringt, kaum Wertschätzung und Anerkennung.

Kein Wunder also, wenn viele Frauen nach der Geburt ihres Kindes so schnell wie möglich zurück in den Beruf streben. Doch nun beginnt das Problem erst richtig virulent zu werden: „Egal, wie du es machst, als Mutter wirst du immer kritisiert", meint Gudrun Gerlach (36), Außenhandelskauffrau und Mutter von zwei Kindern. „Entschließt du dich, zu Hause bei den Kindern zu bleiben, heißt es ,wie hältst du das bloß aus, fehlt dir da nicht die Anregung? Verpasst du nicht den Anschluss an das Berufsleben?´ Gehst du aber wieder arbeiten, giltst du als herzlose Rabenmutter, die keine Lust hat, sich um ihre Kinder zu kümmern."

So bleibt der Spagat zwischen Beruf und Mutterrolle für das Gros der Frauen ein ewiger Quell von Schuldgefühlen und sie registrieren trotz aller Bemühungen, sich gut zu organisieren, den jähen Karriereknick und nehmen resigniert Abschied von der Vorstellung, sich beruflich noch wesentlich weiterzuentwickeln.

„Für mich ist ganz klar: Weiterkommen kannst du jetzt erst mal acht bis zehn Jahre nicht. Als Halbtagskraft kannst du keine Karriere machen", meint Katharina Sauer, 30jährige Marketingassistentin und Mutter eines dreijährigen Sohnes. „Mich stören vor allem die Sprüche der Kollegen wie ,Sie blockieren hier einen Schreibtisch, der nachmittags leer steht´. Oder, wenn ich um halb drei gehe, um meinen Sohn von der Tagesmutter abzuholen, fällt garantiert der Satz: ,Ich würde mich jetzt auch gern auf den Balkon legen und sonnen´".

Mangels ausreichender Infrastruktur für die Kinderbetreuung (es gibt hierzulande bekanntlich kaum Ganztags-Kindergärten oder Ganztagsschulen) und infolge einer Ideologie – auch Muttermythos genannt - die von beiden Elternteilen allein den Müttern die Verantwortung für das Gedeihen ihrer Sprösslinge zuschiebt, erweist sich die Vorstellung, Kind und Karriere kombinieren zu können, in der Regel als illusorisch.

„Das kannst du dir abschminken, dass du als Frau beides machen kannst, Kind und Karriere – es sei denn, du gibst dein Kind auf", stellt Karin Reuter, 36jährige Bankkauffrau, ernüchtert fest. „Denn für deinen Arbeitsgeber ist es absolut uninteressant, ob du ein Kind hast der nicht, es wird trotzdem der totale Einsatz verlangt. Du bist ein Störfaktor, wenn du anrufst, weil dein Kind krank ist. Das belastet einen persönlich natürlich auch, dieser Druck, weil man ja einwandfrei funktionieren will."

Die Berufswelt unserer Leistungsgesellschaft ist eindeutig auf die männliche Biografie zugeschnitten, in der Störungen – beispielweise durch die plötzliche Krankheit des Kindes  - nicht vorgesehen sind. Der Anspruch, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen, richtet sich einseitig nur an die Frau, von der aber gleichzeitig erwartet wird, dass sie in häuslichen Krisensituationen ihren Beruf der Familie unterordnet, egal, welche Schwierigkeiten ihr dadurch am Arbeitsplatz entstehen.

Es gibt mit anderen Worten keinen Mutterbonus: Wer nicht mithalten kann, wird aus der Welt von Macht und Karriere ausgeschlossen.

Der immer noch herrschende, ja, in Zeiten knapper Arbeitsplätze sogar enorm prosperierende Muttermythos, wonach es alleinige Aufgabe der Mütter – und keineswegs beider Eltern  oder gar der Väter ist – ist, wie ein Satellit unablässig um die Kinder zu kreisen, wird unterstützt von psychologischen Theorien, die die Wichtigkeit einer 24-Stunden-Kinderbetreuung durch die Mutter als Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung ihres Sprösslings betonen.

Damit hat die Psychologie jedoch weniger belegte Fakten als vielmehr nur die passende Theorie zur bereits bestehenden Lebensform der Moderne geliefert, meint die Soziologin Claudia Szczesny-Friedmann: „Einschlägige sozialhistorische Untersuchungen kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die ausschließliche Betreuung des Kindes durch die Mutter in früheren Jahrhunderten die Ausnahme, nicht die Regel war." Solange die Mutter im Familienbetrieb mitarbeitete, wurden die Kinder fast immer mehreren Personen betreut. Erst in der Kleinfamilie wurde Kindererziehung zur Aufgabe der Mutter und es entstand der Eindruck, die Isolation von Mutter und Kind seien „natürliche Lebensbedingun-gen".

„Ich frage mich oft, warum ich so ein schlechtes Gewissen habe, wenn ich eine Kinderfrau einsetze und meine Freundin in Frankreich dies nicht hat, wenn sie ihr Kind nachmittags um 16 Uhr im Kindergarten abholt", sagt Andrea Schuster, eine 34jährige Lehrerin. „Warum wird uns Frauen in Deutschland das Muttersein so schwer gemacht?" In der Tat haben es unsere westeuropäischen Schwestern durch ein staatlich geregeltes Outsourcing der Kinderbetreuung in Ganztagskindergärten und –schulen sehr viel leichter, Beruf und Kind zu vereinbaren, wohingegen dieses Land im europäischen Vergleich in Punkto Frauenkarrieren und Geburtenrate zum Schlusslicht geworden ist.

Statt Frauen in ihrer Berufstätigkeit zu unterstützen, subventioniert die deutsche Politik den Weg der Frauen aus dem Arbeitsmarkt heraus – und entlastet ihn damit.

Die verheiratete, berufstätige Frau mit Kind, die nicht „dazuverdient" sondern eine eigene Karriere hat, „verletzt ein Tabu", meint die Hamburger Romanistik-Professorin Barbara Vinken (s. Kasten), die längere Zeit in Frankreich und den USA gelebt hat. „Denn in Deutschland schließt sich das Bild einer voll berufstätigen , karriereorientierten Frau mit dem der Mutter aus." Die Karrierefrau mit Kind sei vor allem für Frauen ein Schreckgespenst, „weil sie zeigt, dass es doch geht und die Ohnmacht keine objektive Gegebenheit ist."

 

Catharina Aanderud

(Catharina Aanderud ist Autorin des Buches „Die Gesellschaft verstößt ihre Kinder – Werteverlust und Erziehung, Heyne TB)

11. Mai 2002